Montag, 17. Juni 2013

Logbuch Fähre "Evangelistas", Tag 4: "Willkommen in Puerto Natales"

12:21 Uhr:

"Das Brummen meines Schädels weckt mich zu bereits später Stunde auf - Frühstück also definitiv schonmal verpasst. Ich bin alleine im Zimmer, meine Reisebegleitung scheint also fitter zu sein als ich. Ich höre auf einmal Stimmen - dann lauten Beifall. Und da kommt es so langsam über mich: Diese Wände sind dünn und das Schiff unheimlich hellhörig. Jakob klärt mich später auf: "Der Kapitän musste sich heute morgen im Namen der ganzen Crew bei den Passagieren entschuldigen - Anscheinend haben wir gestern Nacht nicht nur ihn, sondern auch die im wohlverdienten Schönheitsschlaf träumende Rentnerschaft aus der Nachtruhe gerissen.""


13:34 Uhr:

"Nach dem Mittagessen werden noch schnell die letzten Sachen in die Rucksäcke gepackt - natürlich im Schichtprozess, da die kleine Kabine sonst keinen Platz hergeben würde. Gegen 16:00 sollen wir anlegen, also entscheiden wir uns die letzten Stunden mit einem Bierchen an Deck zu genießen. Dort fange ich dann auch schon die ersten bösen Blicke von älteren Gästen ein und kriege Kommentare wie "Na, Spaß gehabt gestern, wa?" gedrückt. Naja, weh getan haben wir schließlich niemandem; und von Deck ist auch keiner gefallen! Wir genießen die gigantische Aussicht in der Bucht von Puerto Natales auf die rundum in den Himmel ragenden Berge und das wunderbare Zusammenspiel der Farben bei gleißendem Sonnenschein."




15:41 Uhr:

"Puerto Natales ist in Sicht!! Wir holen unsere Rucksäcke aus der Kabine, tauschen letzte Daten mit den neugewonnen Freunden aus und verabschieden uns durch den Bug von unserem Zuhause der letzten 4 Tage. Eine wunderbare "Kreuzfahrt" geht zu Ende - definitiv ein Highlight meines Jahres."




18:12 Uhr: 

"Nach dem Check-In in unserem erstaunlich gemütlichem Hostel, steht uns ein Marathon an Erledigungen bevor, um am nächsten Morgen das Abenteuer "8-Tage-Trekking im Torres del Paine Nationalpark" anzugehen. Unter Anderem müssen wir uns nun kümmern um: Wanderstöcke, Zelte, Kochequipment, Bustickets und ganz wichtig natürlich - die Verpflegung! Wir kaufen rund 32 Packungen Fertignudeln, 6 Leibe Brot, 2 Packungen Käse, Schokoriegel, Müsli und Pulver-Milch. Gewicht ist bei teilweise 8-Stunden-Etappen ein wichtiger Punkt. Im Supermarkt geben uns zwei Rückkehrer auch noch letzte Tips für eine erfolgreiche Wandertour."

22:00 Uhr

"Nach gefühlten 2 Kilo Spaghetti und einer letzten warmen Dusche schlüpfen wir ins Bett um uns eine letzte wohlverdiente Erholung zu gönnen, bevor uns am nächsten Morgen der Bus früh um 7:45 abholt..."

Mittwoch, 12. Juni 2013

Logbuch Fähre "Evangelistas", Tag 3: "Auf dem Weg nach Puerto Edén"

11:43 Uhr:

"Wir machen uns bereit für eine, wie man uns beim Frühstück gesagt hatte, "wichtige" Ankündigung vor unserem Mittagessen. Wir sind gespannt - schließlich wurde uns der dritte Tag von allen vorherigen Reisenden als spannendster verkauft."


12:12 Uhr:

"Die Katze ist aus dem Sack! Das Wetter spielt heute perfekt mit und es wird uns möglich sein alle 3 Sehenswürdigkeiten zu besichtigen: Zuerst einen Gletscher, der in der Nähe in einen Fjord fließt, danach ein altes Schiffswrack, und schlussendlich ein Besuch im 70-Seelen-Dorf "Puerto Edén"! Zu diesem Zeitpunkt befinden wir uns auch bereits auf dem Umweg durch einen engen Fjord in Richtung Gletscher. Bei Flaute segeln wir ruhig durch Gewässer, die bereits eine komische Farbe angenommen haben. Hier tümmeln sich unter anderem zahlreiche Pinguine und Delfine, von denen wir so gut wie erfolglos versuchen Bilder zu schießen..."



12:31 Uhr:

"Da ist er. Majestätisch thront der Gletscher über dem seichten Gemisch aus salzigem Meer- und süßem Eiszeitwasser. Fix holen wir bereits die gekaufte Flasche Bourbon heraus, um sie später mit 10.000-Jahre-altem Eis zu paaren. Ein bisschen kommt "Titanic-Feeling" auf und im Unterbewusstsein höre ich Céline Dion "My Heart Will Go On" trällern. Wir nähern uns bis auf 100m, ein Seitenboot mit den wenigen Kindern an Bord wird losgeschickt, um Eis aufzusammeln. Wir verschaffen uns Zugang zum Bug und genießen den unglaublichen Ausblick auf dieses gigantische Naturwunder - Prost!"








14:52 Uhr:

"Unser nächstes Highlight ist bereits in Sicht! Wie uns der Kapitän erzählt, handelt es sich bei dem bronzenen Rostkutter um ein Frachtschiff, das vor knapp 50 Jahren hier gegen einen Felsen fuhr und "sank". Genau das hat es nämlich nicht getan. Man möge sich fragen, bei welcher Kapitänsschule dieser werte Herr Verantwortliche wohl seine Lizenz gemacht habe, da - wie uns der hoffentlich weitaus schlauere Kapitän unseres Schiffes erzählt - das Meer rund um dieses spitze Steinchen Tiefen bis zu 800m aufweist. Schlechtes Karma in seiner besten Form!"





16:13 Uhr:

"Der Kapitän braucht Ruhe! Wir passieren die engste Stelle unserer Tour..."


17:10 Uhr:

"Alle Mann an Deck! Es werden Schwimmwesten verteilt. Um nämlich in Puerto Edén an Land zu gehen, muss man sich an diesem entlegen Ort der Welt von den Einwohnern und ihren Fischkuttern an Land bringen lassen. Da die Fähre auch nur zweimal in der Woche vorbeikommt, hauen die Edéner bei dem 30-Sekunden Transfer von Fähren-Heck zum Anleger ordentlich auf die Preistrommel: 5000 Pesos, also umgerechnet 8 Euro muss jeder entdeckungsfreudige Fähren-Gast bezahlen, um den "Hafen von Eden" zu besichtigen."









17:37 Uhr:

"Wir legen an! Ein Schild begrüßt uns auf auf Spanisch und einem Dialekt des "Patagon", die Indigo-Sprache des chilenischen Südens. Man mag es kaum glauben, aber dieses Dorf am absoluten Ende der Welt ist perfekt auf seine Touristen eingestellt. Ein teils nagelneuer Holzweg (Straßen gibt es hier natürlich nicht - Autos schon dreimal nicht) führt uns in 45 Minuten auf einen Aussichtspunkt und vorbei an einigen Häusern des malerischen Dorfes. Das "Zentrum" des Dorfes selber dürfen wir nicht besuchen. Eine grimmig dreinschauende Einheimische versperrt uns mit ihren 120kg Kampfgewicht den Weg. Wir begnügen uns mit Fotografien, den - auch hier - überall herumstreunenden Hunden und müssen schließlich wieder per Boot zur Fähre gebracht werden. Ein zumindest kleiner Einblick in das Leben am entlegensten Ort der Welt ist uns jedoch auf jeden Fall gelungen!"








23:35 Uhr:

"Die Party des letzten verblieben Abends an Bord ist in vollem Gange. Nach einer Runde Bingo, bei der ich leider nichts hatte gewinnen können, brachte man die Boxen im Pub zum plärren und das lustige Treiben begann. Hier und da tauchten reingeschmuggelte Flaschen der Touristen auf und man konnte sich an der Bar Nachschub an Gletschereis besorgen. Das ließ ich mir natürlich nicht entgehen! 1 Bourbon on the rocks, 2 Bourbon on the rocks....."






2:12 Uhr:

"Polizeistunde im Pub. Wir nehmen unsere Getränke und bringen sie mit nach draußen auf's Deck. Leider begrüßt uns hier strömender Regen, der aber keinem mehr etwas auszumachen scheint. Auf einmal landen überall auf Deck kleine Vögel, die anscheinend keine Berührungsängste haben - wie auch an so einem Ort wo sonst nie ein Mensch Fuß an Land setzt? Von der Crew werden wir schließlich ins Restaurant berufen, um dort die Fiesta fortzuführen - eine schlechte Idee wie sich am nächsten Tag herausstellen sollte..."





Dienstag, 14. Mai 2013

Logbuch Fähre "Evangelistas", Tag 2: "Canal Pulluche"

8:00 Uhr:

"Eine schrille Alarmglocke weckt uns aus unseren Träumen: "Das Frühstück für alle Ungeraden Kabinen ist nun serviert" - wir sind leider betroffen und müssen uns heute als Erste aus dem Bett quälen. Das Frühstück überrascht ebenfalls! Eine reiche Auswahl von Käse, Schinken, Marmelade und Honig erleichtert den Einstieg in den Tag."

10:02 Uhr:

"Wir schippern nun bereits durch die Meeresengen des "Canal Pulluche". Rechts und links türmen sich knapp 100m hohe, grasgrüne Hügel auf. Wir starten den Tag mit einer hitzigen Runde Canasta - andere Freizeitaktivitäten machen sich auf einem Containerschiff schließlich rar."


11:20 Uhr:

"Wir saugen ein bisschen die Atmosphäre ein. An Deck ist es glücklicherweise nicht zu kalt und man kann sich schnurstracks im Pub immer wieder aufwärmen. Wir kommen ins Gespräch mit weiteren deutschen Touristen. Bis zum Mittagessen vertreiben wir uns die Zeit mit seelenbaumeln und Fotographie."




15:49 Uhr:

"Wir passieren die erste Ranger-Station. Wie verlassen treibt sie in den ruhigen Gewässern des Fjordes. Ich frage mich, wie es für die Ranger der CONAF sein muss, ein halbes Jahr auf diesem verlassenen Hausboot zu treiben."



16:36 Uhr:

"Entspannen an Deck. Die Sonne kommt kurz heraus und wir begrüßen sie - die 4 Uhr Marke ist schließlich schon erreicht - mit dem ersten Bier des Tages. Die Schluchten werden ein letztes Mal enger bevor es in knapp einer Stunde hinaus auf die offene See gehen soll. Ich will gar nicht daran denken, was uns dort auf diesem Kutter für eine Wackelpartie erwarten wird..."




18:58 Uhr:

""Ballenas, Steuerbord! Ballenas, Steuerbord!" ertönt es aus den Lautsprechern. Wir haben gerade unser Abendessen verschlungen, als ein aufgeregter Kapitän den ganzen Speisesaal in Furore bringt. Ich bin verwirrt. Das Wort "ballenas" ist mir nicht geläufig und ich verstehe nicht, warum der Kapitän einen derartigen Gefühlsausbruch wegen "gallinas" (span. = "Hennen"), das Wort, welches mein Gehirn aus dem Kontext filtert, bekommt. Nun gut, über das Wasser laufende Jesus-Hähnchen - das wäre natürlich eine ziemliche Sensation! Irgendetwas verstehe ich hier jedoch falsch - das ist mir klar. Schnell werde ich von Jakob aufgeklärt: es handelt sich um Wale! Wir sprinten an Deck und sehen in der Ferne in regelmäßigen Abstand Fontänen aus dem Wasser schießen. Leider sind sie zu weit entfernt um eine Flosse oder einen Rücken auszumachen. Genauso schwierig gestaltet sich das Festhalten dieses Spektakels auf unserem elektronischen Firlefanz. Wir befinden uns bereits in der Meeresöffnung...da ist er: der Pazifik!


20:55 Uhr:

"Eine wunderbare Aufnahme der Sonne gelingt mir, wie sie in den weiten des "ruhigen Ozeanes" versinkt. Die Wellen nehmen bereits zu, das Boot schwankt und ich setze mich lieber auf den Boden."


21:41 Uhr: 

"Zweite Aufruhr des Tages und dieses Mal gibt es keine Missverständnisse mit dem Vokabular: DELFINE! Und das nicht wenige - rund 200 Kaltwasser-Delfine tümmeln sich an Steuerbord-Seite und folgen uns auf Schritt und Tritt für die nächsten 10 Minuten. Ein unglaublich schönes Spektakel spielt sich vor unseren Augen in der Abendsonne ab. Fast vergesse ich sogar den immer wieder aufkommenden Würgereiz, den mein Gleichgewichtssystem inzwischen pausenlos initiiert. Um die Flossen in den Bildern zu erkennen ist sehr wohl ein gutes Auge von Nöten - aber man kann sie erkennen! 



22:10 Uhr:

"Man bietet mir noch ein Absacker-Bier an doch mein Magen hat sich zu diesem Zeitpunkt schon um gefühlte 720° gedreht. Ich entscheide mich für die Variante Koje und taumele Richtung Kabine. 20 Minuten muss ich auch auf der Matratze mit den Wellen kämpfen, bis schließlich doch meine Müdigkeit siegt."